
“Die Miniatur-Spektren eines jeden Liedes, die Direktheit zum Publikum sind für uns eine unglaubliche Bereicherung” –
Mit dem LiedDuo sprach Heike Paulsen im Frühsommer 2018
Das Lied-Duo Heinzen Mead über Ihre Zusammenarbeit und Projekte.
„Die Miniatur-Spektren eines jeden Liedes, die Direktheit zum Publikum sind für uns eine unglaubliche Bereicherung“ – Heike Paulsen sprach für die Liedwelt Rheinland mit den Liedduo Heinzen-Mead.
An diesem windigen Rosenmontag habe ich das Glück, gleich zwei außerordentliche junge Künstler in einem ihrer Stammcafés in Düsseldorf zu treffen: Franziska Heinzen und Benjamin Mead. Anlässe sind zahlreiche vorhanden – zum einen das April-Konzert der Reihe „Im Zentrum Lied“ in Köln mit dem die Liedwelt Rheinland auch den diesjährigen Liedsommer eröffnet und zum zweiten der geplanten Konzerte zu Clara Schumanns 200tem Geburtstag.
„Klangspektren“ widmet sich dem modernen und zeitgenössischem Liedgut. Worauf können wir uns an diesem 24. April in Köln freuen?
Wir haben ein Programm zusammengestellt, das seinen äußeren Rahmen durch den Schwerpunkt auf das Liedgut des 20. und 21. Jahrhunderts erhält. Dieses – eher ungewohnte – Repertoire soll keinesfalls abschrecken, sondern vielmehr neugierig machen: Denn sprechen wir einerseits von Komponisten, die wie Arnold Schönberg und Richard Strauss noch die Höhen und Tiefen der Tonalität in ihrem gesamten Spektrum ausloteten, andererseits von unseren Zeitgenossen Manuela Kerer, Moritz Eggert, Alexander Muno und Wolfgang Rihm, die hundert Jahre danach das Kunstlied in der klassischen Kombination von Klavier und Gesang immer noch weiterentwickeln.
Das klingt ungemein interessant! Wie kam es zu diesem Projekt?
Unser Preis als Sieger des internationalen Liedduowettbewerbs Lied&Lyrik Rhein-Ruhr 2017 in Ratingen war mit einer Einladung in die Konzertreihe „Im Zentrum Lied“ verbunden und mit der schönen Auflage seitens der künstlerischen Leiterin Ingrid Schmidthüsen, genau solch einen spannenden Liederabend zusammenzustellen. Wir haben so die Möglichkeit genutzt, Lied-Zyklen, die uns schon länger begleiten, wie die Ophelia-Lieder von Wolfgang Rihm und Richard Strauss mit anderen, speziell für dieses Projekt ausgesuchten Stücken zu verbinden, wie beispielsweise die 4 Cleopatra-Charakteren von Alexander Muno.
Uns erwartet mehrheitlich Shakespeare?
Nicht so sehr Shakespeare, sondern die starken Frauengestalten, denen er und auch andere Dichter künstlerische Denkmäler gesetzt haben: Das Lied eröffnet ja in ganz intimer Weise die Möglichkeit, Emotionen zu verdichten und auszudrücken, und wir möchten das Publikum auf diese ganz besondere Reise durch die Jahrhunderte mitnehmen und das Spektrum der inneren menschlichen Erlebenswelten ausloten.
Es ist bei weitem nicht Ihr erstes gemeinsames Projekt?
Nein, seit wir vor etwa fünf Jahren erstmals zusammen musiziert haben – damals noch als Studierende an der Düsseldorfer Robert Schumann Hochschule – haben wir sehr viel und unterschiedliches Repertoire zusammen erarbeitet sowie mit Konzertkonzeptionen experimentiert. Aus dieser Zeit stammt auch die Zuneigung zur literarischen Frauengestalt der Mignon aus Goethes Wilhelm Meister, der wir am Konzertabend – allerdings in der Schubert Vertonung – ein Denkmal setzen werden. In den vergangenen Jahren ist zwischen uns eine künstlerische Verbundenheit erwachsen, die in der Form nicht selbstverständlich ist: Es muss gerade in der Kammermusik, beziehungsweise im Liedduo zwischenmenschlich, musikalisch, aber auch in der Vorstellung, wie viel Zeit dafür investiert wird, übereinstimmen. Die Liedkunst bietet gerade neben Oratorien oder Opern eine individuelle Gestaltungsfreiheit; die Miniatur-Spektren eines jeden Liedes, die Direktheit zum Publikum sind eine unglaubliche Bereicherung. Und natürlich freuen wir uns, dass unser Musizieren und unsere Programmation Anklang findet: Beim Rhonefestival in der Schweiz und auch beim Schumannfest Düsseldorf in Zusammenarbeit mit dem Liedsommer Rheinland dürfen wir dieses Jahr einen weiteren Liederabend präsentieren, der sich anlässlich des 200. Geburtstages von Clara Schumann ausschließlich Werken von Komponistinnen – 20 an der Zahl – widmen wird.
Das in Ihrer Heimat gegründete Rhonefestival für Liedkunst findet in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal statt, Frau Heinzen?
Die erste Edition war ein sehr schöner Erfolg, der ermutigte, weiterzugehen. Ich denke, die Mischung zwischen Konzerten im wunderbaren Rittersaal des örtlichen Barockschlosses sowie ein buchstäbliches Zugehen auf das Publikum durch open air-Konzerte an ungewöhnlichen Orten oder das Lied in neuen Formaten ist sehr ansprechend: Wir möchten die Menschen mitnehmen, zeigen, dass das Lied mit den Komponenten Musik und Literatur mit seinen großen und tiefen Emotionen Teil eines jeden Menschen ist. Und in diesem Sinne keine Kunst auf einem Sockel. Und ich denke, dass sich nicht nur Schubert sehr darüber gefreut hätte, zu sehen, wie sich plötzlich ein Publikum neben der rauschenden Rhone mit einem Glas Wein zu Liedern versammelt!
Herr Mead, ebenso wie Frau Heinzen sind Sie in den letzten Jahren viel unterwegs – es ist ein Glücksfall, zwei Kosmopoliten wie Sie heute beide hier in Düsseldorf, Ihrer früheren Wirkungsstätte, gemeinsam zu treffen.
Ja, seit vergangenem Jahr studiere ich an der Royal Academy of Music „Piano Accompaniment“, das heißt Kammermusik und Liedgestaltung. Der Studiengang bietet mir eine hervorragende Möglichkeit, mein Repertoire als Klavierpartner intensiv auszubauen. Gleichzeitig ist es spannend, in einer Metropole wie London mit all ihren Konzertangeboten und Eindrücken zu leben und das – insbesondere deutsche – Kunstlied, ja den gesamten Musikbetrieb sprichwörtlich von einer anderen Seite zu sehen. Gleichzeitig war es ein persönlicher Wunsch, als in Deutschland aufgewachsener Engländer einem Teil meiner Wurzeln nachzuspüren. Und die Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren bereits gesammelt habe, wirken hier natürlich fort. Jüngst erspielte ich mir den Webb Award für Liedbegleiter – das ist natürlich eine schöne Bestätigung für meinen Entscheid, mich der Liedkunst und Kammermusik zu widmen.
Herzlichen Glückwunsch hierzu und vielen Dank für das Gespräch, Frau Heinzen und Herr Mead!