
v.l.n.r: Gisela Jöbstl, Klaudia Tandl, Esther Valentin, Ananstasia Grishutina, Elitsa Desseva, Mikhail Timoshenko
Das Kunstlied angemessen würdigen
Preisträgerkonzert des 3. Internationalen Schubert Wettbewerbs Dortmund am 30. September 2018 in der Kompressorenhalle der Kokerei Hansa, Dortmund
Der dritte LiedDuo-Wettbewerb fand in diesem Jahr in der letzten Septemberwoche in Dortmund statt und wurde unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. Norbert Lammert ausgerichtet. Nach 13 Klavierwettbewerben folgte nun der spezielle LiedDuo-Wettbewerb in der dritten Auflage.
Stefan Heucke ist Komponist und seit 2016 Vorsitzender dieses internationalen Wettbewerbs. Er zeigte sich besonders begeistert von dem diesjährigen Gewinner-Duo, bestehend aus der Mezzosopranistin Esther Valentin und der Liedpianistin Anastasia Grishutina: „Die beiden ergänzen sich einfach ganz fantastisch und es interessant zu sehen, wann sie welche Impulse setzen und damit eine ganz bestimmte Stimmung vermitteln“, sagt der 59-Jährige.
Das mag auch an der großen Leidenschaft liegen, mit der die beiden an die Musik herangehen: „Die Arbeit mit dem Lied erfüllt mich total“, schwärmt Esther Valentin. „Beim Wettbewerb gab es natürlich bestimmte Pflichtstücke. Nicht sofort findet man immer einen Zugang, aber als wir am Ende auf der Bühne standen, hat es für uns einfach gepasst“, so die junge Sängerin weiter. Auch Anastasia Grishutina ergänzt: „Alles hat sich irgendwie gefügt und wir konnten eine Geschichte erzählen.“
Und genau darum ging es, um gemeinsames Wirken: „Wir wollen bei unserer Veranstaltung das Duo in seiner Gesamtheit bewerten und zwar vollkommen gleichberechtigt und gleichwertig. Das war auch die Idee von Irwin Gage“, so Heucke. Der Pianist Irwin Gage war bis 2017 künstlerischer Leiter des Wettbewerbs, er verstarb im April dieses Jahres. „Aber für ihn war einfach wichtig, dass das Phänomen des Duos im Vordergrund steht – so wie es bisher noch bei keinem anderen Wettbewerb der Fall ist.“
„Der Pianist ist kein Begleiter“
In den großen Kunstliedern sind laut Heucke Klavier und Gesangsstimme so eng miteinander verbunden und durchdringen sich gegenseitig, dass eine gleichberechtigte Struktur nur konsequent ist. „Der Pianist ist kein Begleiter, deswegen nutzen wir auch den Begriff des Liedpianisten.“ Dennoch sei es häufig so, dass die Pianisten zu kurz kommen. „Und das obwohl sie so viel beitragen zum Liederlebnis.“
Deswegen wird dieser Preis verliehen, um ein zusätzliches Augenmerk auf die Gleichberechtigung von Gesang und Klavier zu legen. Und bei Esther Valentin und Anastasia Grishutina hätten sich Gesang und Klavierspiel wunderbar ergänzt. So gut, dass die junge Pianistin zusätzlich mit dem Sonderpreis der Liedpianistin ausgezeichnet wurde. „Ich stelle mir die Liedkunst so wie Kammermusik vor. Jeder von uns gibt Input, es gibt keinen Solisten und seinen Begleiter. Wir schaffen etwas gemeinsam“, findet die Anastasia Grishutina und führt weiter aus: „Ich versuche immer ohne solistische Attitüde zu spielen, dabei entfernt man sich nur von der Musik. Mir geht es um die Musik, ihren Text und die Geschichte dahinter. Denn wenn ich mich der Musik stelle, kann ich komplett ich selbst sein. Ich gebe einen Teil von mir, aber ich bekomme so viel zurück. Das ist für mich das Schönste an der Musik.“
„Anastasia Grishutina hat einfach immer wieder eigene Impulse gesetzt, mitgedacht und agiert. Das war wirklich etwas Besonderes“, fasst der Komponist zusammen. Gemeinsam mit Juliane Banse, Deborah Polaski, Ian Fountain, James Taylor, Olaf Bär, Arnulf von Arnim, Jan Philip Schulze und der künstlerischen Leiterin Ingeborg Danz saß er in der Jury. „Das Kunstlied ist für mich eine spannende Sparte mit vielen gestalterischen Möglichkeiten und die wurden von dem Gewinner-Duo toll bedient. Bereits in der Vorauswahl waren uns die beiden aufgefallen und wir waren gespannt, was uns live bei den Auftritten erwartet.“ Gemeinsam mit Ingeborg Danz hatte er aus 86 Duos 44 ausgewählt und zum Wettbewerb geladen.
Ein Publikumspreis mit besonderem Ergebnis
Von den geladenen Duos waren schließlich 32 erschienen und die Jury wählte in dem insgesamt eine Woche dauernden Wettbewerb drei Favoriten aus. Die Stimmen werden dabei anonym abgegeben und es findet keine Beratung untereinander statt. „So kann wirklich jeder fair und ohne Beeinflussung abstimmen“, betont Stefan Heucke.
Ein Publikumspreis des Lions Club Dortmund-Rothe Erde wurde erstmalig in der in der Kompressorenhalle der Kokerei Hansa vergeben. „Oftmals ist es so, dass das Publikum noch eine andere Sichtweise hat, aber in diesem Jahr war es wirklich komplett identisch“, so Heucke. Denn sowohl das erstplatzierte Duo als auch das zweitplatzierte – bestehend aus dem russischen Bariton Mikhail Timoshenko und der bulgarische Pianistin Elitsa Desseva – erhielten jeweils 60 Stimmen aus dem Publikum.
„Wir haben uns dann präsidialen Rat unseres Schirmherrn eingeholt und uns eigentlich darauf verständigt, dass der Publikumspreis geteilt werden muss“ so der Vorsitzende „doch zu einer Teilung brauchte es gar nicht zu kommen, da die RAG-Stiftung spontan entschied, den zweiten Teil des Preises zu übernehmen.“ So konnten beide Duos den mit je 2.000 Euro dotierten Publikumspreis erhalten.
Bereits seit 1987 findet in Dortmund alle zwei Jahre der Wettbewerb statt. Damals noch von regionalen Musikerinnen und Musikern gemeinsam mit der Dortmunder Wirtschaft ins Leben gerufen, ist der Wettbewerb mittlerweile international aufgestellt und zählt 166 Musiker aus insgesamt 24 Nationen und für den Wettbewerb 2018 meldeten sich 166 Musiker aus insgesamt 24 Nationen an.
Der Wettbewerb soll jungen Künstlern die Möglichkeit geben, sich mit dem Werk Schuberts auseinanderzusetzen.
Im Finale gab es ebenfalls Pflicht- und Wahlstücke. Mit darunter Goethes Rastlose Liebe und Gretchen am Spinnrade. Mit den Liedern schafften es Esther und Anastasia einen Spannungsbogen aufzubauen und mit ihren Stücken eine Liebesgeschichte zu erzählen. „Wir haben kaum Pause gemacht zwischen den Stücken und es versucht, als eins zu präsentieren“, erzählt Esther. „Wirklich unglaublich, wie das geklappt hat. Ich konnte wirklich kaum so schnell die Noten wechseln“, sagt Anastasia und lacht.
Familiäre Stimmung trotz Konkurrenz
Anastasia Grishutina und Esther Valentin setzten sich in diesem Jahr schließlich gegen weitere 32 Duos aus 27 Nationen durch. „Dank des Wettbewerbs haben wir nun einige Liederabende vor uns und können sogar eine eigene CD im kommenden Jahr aufnehmen“, freut sich Esther. Das Thema der Aufnahmen wollen die beiden allerdings noch nicht verraten.
Die Stimmung während des Wettbewerbs hat die beiden allerdings vollkommen überzeugt: „Und das nicht, weil wir am Ende den ersten Platz bekommen haben. Ich habe mich vorher noch nicht so wohl gefühlt in so einer Situation“, sagt Esther Valentin und führt weiter aus: „Die ganze Atmosphäre war super. Die Organisatoren haben sich um uns gekümmert und man konnte spüren, dass es wirklich um die Musik und die Musiker ging und nicht um das Image von dem Wettbewerb, wie es manchmal der Fall ist.“
Gemeinsam hätten alle Künstler mit den anderen mitgefiebert. „Selbst die, die nicht weitergekommen sind, haben sich dann mit uns gefreut und gratuliert“, erzählt die Esther Valentin. „Genau, es war eine Gelegenheit schöne Musik zu machen und das ist das Wichtigste“, findet auch Anastasia Grishutina.
Den dritten Preis erhielt das österreichische Duo mit Mezzosopranistin Klaudia Tandl und Gisela Jöbstl am Klavier. Der nächste LiedDuo-Wettbewerb wird 2022 stattfinden, der Anmeldestart ist ebenfalls im Frühjahr 2022. Weitere Infos folgen, wenn der Wettbewerb näherrückt.
Hier finden Sie das Interview mit den beiden Gewinnerinnen
Bericht: Elena Sebening
Photo © Schubert Wettbewerb | Finn Löw