
Pünktlich zum 2. Liedduo-Wettbewerb Rhein Ruhr am 5.4.2017 ist die CD mit Liedern von August Bungert erschienen. Die Klavierlieder wurden aus Anlass seines 100. Todestages im Gründungsjahr des Wettbewerbs thematisiert. Die Liedwelt Rheinland wird in Kürze hineinhorchen.
Unter der Federführung des in Ratingen wohnenden Liedpianisten Dominikus Burghardt ist mit vielen im Rheinland ansässigen Lied-Kapazitäten.
WDR 3-Redakteur Michael Schwalb hat exklusiv für die Liedwelt Rheinland die CD rezensiert:
Querschnitt durch das reichhaltige Liedschaffen
Diese CD kann Freunde des Liedgesangs und entdeckungslustige Musikliebhaber beglücken mit 22 unbekannten Liedern, 50 Minuten Musik des Komponisten August Bungert (1845-1915). Bungert fristet heute höchstens noch ein lexikalisches Dasein, war aber seinerzeit durchaus populär. Er selbst sah sich auf einer Bedeutungshöhe mit Richard Wagner, vor allem aufgrund seiner in Dresden uraufgeführten Antikentetralogie „Homerische Welt“, in der er – wie Wagner! – eigene Dichtungen vertonte. Vergeblich versuchte er, diesen Rang von seiner Mitwelt einzufordern, doch hatte Bungert durchaus einen Kreis von einsatzfreudigen Anhängern und Gönnern. Dazu gehörte auch die rumänische Königin Elisabeth I., eine geborene Prinzessin zu Wied, die sich als Künstlerin fühlte und unter ihrem Dichternamen Carmen Sylva Lyrik produzierte. Sie schenkte Bungert ein Haus in Leutesdorf am Rhein, das er von Mitte der 1890er-Jahre bis zu seinem Tod bewohnte. Geboren ist Bungert in Mülheim an der Ruhr – Anlass für den rührigen Verein „Lied und Lyrik Rhein-Ruhr“, nun Bungerts reichhaltiges Liedschaffen in einem Querschnitt vorzustellen.
Eine kluge Dramaturgie quer durch alle Schaffensperioden
Die über 350 Lieder bilden rein quantitativ das größte Werkkorpus in Bungerts Œuvre von 76 Opera. Eine kluge Dramaturgie, die wohl Dominikus Burghardt als spiritus rector zuzurechnen ist, hat die hier versammelten Lieder (unter Verzicht auf allzu plakative Rhein-Wein-Gesänge) quer durch alle Schaffensperioden ausgewählt und sinnvoll angeordnet. Zunächst einmal freut sich das Ohr an der Abwechslung der vier jungen Stimmen von Lied zu Lied, deren Abfolge aber vor allem tonartlich sinnvoll und auch nach inhaltlichen Bedeutungsbezügen angeordnet ist.

Es ist wohl Zufall, dass der Dichter Bungert hier nicht in einer eigenen Vertonung zu Gehör kommt; die vertonten Gedichte stammen von ganz unterschiedlichen Autoren, darunter Größen wie Heine, Chamisso, Rückert, Eichendorff und Uhland, aber auch Kleinmeistern wie Emil Rittershaus, Carl Bulcke oder eben der Gönnerin Carmen Sylva. Einige Vorlagen berühmter Dichter sind außer von Bungert nie vertont, etwa das hinreißende „Wärst du krank, dass ich dich könnte pflegen“ aus Rückerts „Liebesfrühling“.
Bungert – ein versierter Kolorist, der auch zu berührendsten Tönen findet
Bungert erweist sich als durchaus versierter Kolorist, ohne dass sich aber immer eine symbiotische Wechselwirkung zwischen Text und Musik einstellt, wie sie wirklich großen Liederkomponisten wie Bungerts Zeitgenossen Wolf, Strauss oder Pfitzner zu eigen ist. Und von den verschiedenen Themenfeldern, welche die Gedichte vorgeben, sind in meinen Ohren weder die Vertonung von Naturidylle noch von Liebesfreuden besonders eindringlich; vielmehr findet Bungert bei der musikalischen Ausgestaltung von Seelenschmerz und Verlorenheit zu seinen berührendsten Tönen.
Bei den Interpreten dieser CD wirkt Dominikus Burghardt, ein ebenso verlässlicher wie geschmeidiger Gestalter, als Dreh- und Angelpunkt, der den jungen Interpreten pianistischen Rückhalt und phantasiereiche Anregung bietet. Die vier Sänger nehmen sich der unbekannten Lieder, zumeist Ersteinspielungen, mit hörbarer Hingabe an, wobei mir die Mezzosopranistin Elvira Bill einen stimmlich wie gestalterisch besonders ausgeglichenen Eindruck vermittelt.
Abwechslungsreichtum in der Stückauswahl und mit vier jungen Stimmen
Fazit: Die Entdeckung des Liedkomponisten August Bungert bringt die Musikgeschichte nicht ins Wanken, doch lassen sich die Gipfelwerke der Literatur, von Wolf, Strauss oder Pfitzner, umso fundierter schätzen und lieben, wenn man die kleineren Berge und umgebenden Höhenzüge der zeitgenössischen Liedproduktion kennenlernen darf. Das schafft diese CD, die man ob ihres Abwechslungsreichtums immer wieder von vorne bis hinten durchhören mag.
© Michael Schwalb

Zu dieser CD
Maike Leluschko, Sopran
Elvira Bill, Mezzo
Andreas Post, Tenor
Erik Sohn, Bariton
Dominikus Burghardt, Klavier
Produzent: Lied und Lyrik Rhein-Ruhr
Holger Urbach Musikproduktion 2016
EAN 0742832844802
Die CD wurde von Lied und Lyrik Rhein-Ruhr e.V. produziert. Sie dokumentiert einen Themenschwerpunkt des 1. Internationalen Liedduo-Wettbewerbs Rhein-Ruhr 2015 in Ratingen – das Liedschaffen des im Rheinland beheimateten Komponisten August Berger. Daher wirklen bei der Einspielung Interpreten aus diesem Einzugsgebiet mit.
Die Auwahl der Klavierlieder gibt ein möglichst breites und repräsentatives Spektrum seines Liedschaffens wieder.
Dabei handelt es sich zum größeren Teil um Ersteinspielungen.
LiedWeltLinks
– Bericht | Michael Schwalb: Hans Pfitzner, Komponist zwischen Vision und Abgrund