Interview mit Bastian Levacher und Ilya Rapoport
„Zwei Köpfe sind besser als einer„
Februar 2021
Mit dem LiedDuo sprach Barbara Franke
Vor den Proben noch ausgiebig Kaffee trinken, sich über Politik und Privates austauschen, miteinander lachen, den Anderen auch mal kritisieren. Der Bariton Bastian Levacher und der Pianist Ilja Rapoport sind nicht nur musikalisch ein eingespieltes Team. Das Duo verbindet die gemeinsame Studienzeit und eine enge Freundschaft. Gemeinsam wollen sie professionell wachsen und sind dabei immer gnadenlos ehrlich zueinander. Im Interview mit der Journalistin Barbara Franke sprachen sie über ihren Fokus auf das romantische Repertoire und den Bezug zur eigenen Heimat in ihren Liedern, unerschütterlichen Optimismus und besondere Konzertmomente.
Beide hatte es schon früh auf die Bühne gezogen. Mit vier nahm der in Russland geborene Ilja Rapoport bereits Klavierunterricht bei seiner Mutter, war anschließend auf einer Musikschule für begabte Kinder in seiner Heimatstadt Tscheljabinsk und erinnert sich positiv an seine Kindheit: “Ich hatte viele Freunde, war im Schwimmverein und konnte schon früh sehr viel Bühnenerfahrung erlangen“. Als er zwölf wurde, entschieden seine Eltern trotzdem mit ihm und seiner Schwester nach Deutschland auszuwandern. „In Europa gab es für mich bessere Möglichkeiten, meine künstlerischen und persönlichen Ziele zu entfalten. Das war meinen Eltern sehr wichtig“.
Auch Bastian Levacher wurde bei den „Aurelius Sängerknaben“ in seiner Heimatstadt Calw von seiner Mutter unterrichtet, die ebenfalls Gesang studiert hatte. „Sie zog es allerdings nie auf die Bühne. Viel lieber hat sie mit Kindern gearbeitet und ich erinnere mich daran, wie ich manchmal in den Gesangsunterricht reingelaufen bin und protestiert habe, dass ich jetzt auch sofort Unterricht haben will“.
Druck von den Eltern gab es für beide dennoch nie. „Natürlich hat meine Mutter mich manchmal gepusht, wenn ich keine Lust hatte zum Unterricht zu gehen“, erklärt Levacher. Trotzdem sei die Entscheidung zur Musik rein freiwillig gewesen. „In der Schule durfte ich dann außerdem dauernd fehlen und angeben, dass ich stattdessen auf Konzertreise in Portugal bin“.
Kennenlernen konnte sich das Duo an der Hochschule für Musik in Karlsruhe, an der beide neben ihrer klassischen Ausbildung außerdem ihren pädagogischen Schein machten, um nach dem Studium auch zu unterrichten. „Wir haben uns gleich sehr gut verstanden. Ich habe Ilja gefragt, ob er während meiner Gesangsstunden Klavier spielen möchte. 2018 haben wir uns dann entschlossen, ein Lied-Duo zu gründen“. Hingebungsvoll widmen sie sich seitdem dem romantischen Genre, und das nicht nur wegen des hohen musikalischen Anspruchs an Pianist und Bariton. „Romantische Lieder vermitteln viele Facetten von Emotionen, was gerade für mich als Sänger sehr reizvoll ist. Ich kann so in diverse Rollen schlüpfen, unterschiedliche emotionale Zustände performen, wie ein lyrisches Ich, das verschiedene Dinge erlebt“, beschreibt Levacher. Den Künstlern ist in ihrer Konzeption deshalb auch die Auswahl der Lieder wichtig, für die sie enorme Vorarbeit leisten. „Wir hören sehr viele Lieder an und prüfen dabei nicht nur, ob die Tonalitäten zusammenpassen, sondern wir wollen vor allem einen Bogen spannen. Es geht darum dem Zuhörer eine Geschichte zu erzählen, ihn in eine Welt mitzunehmen, in die er eintauchen kann, sodass der Abend in einem Atemzug verfliegt – auch für Menschen, die der klassischen Musik fern sind“, erklärt Rapoport. In ihrem ersten Programm „Aber die Liebe ist die Größeste“ handelten beispielsweise alle Lieder von Aspekten der Liebe, wie der Liebe zur Natur oder der Liebe eines Vaters zu seinem Sohn.
Einen besonderen Stellenwert haben außerdem Lieder mit einem literarischen Bezug zu ihrer Heimat. Ein nennenswertes Beispiel sei hier ihr Konzert an der Schlossruine in Hirsau. „‘Die Ulme zur Hirsau’ an dem Ort zu singen, für den die Poesie entstanden ist, ist einzigartig. Es geht dann genau um diese Gegend, genau um diesen Baum“, schwärmt Levacher, der selbst im nördlichen Schwarzwald aufgewachsen ist. Bei den Zuschauern löse das einen persönlichen Bezug aus, die Lyrik sei so weniger abstrakt für diejenigen, die die Orte kennen.
Für die Organisation ihrer Konzerte sind beide Künstler gleichermaßen zuständig. „Wir machen beide alles, das gilt auch für Social-Media oder anderweitige Kommunikation, und wir stimmen immer gemeinsam ab. Alleingänge gibt es bei uns nicht“, sagt Rapoport. Grundsätzlich wichtig sei regelmäßiges Proben, der direkte Kontakt und die gnadenlose Ehrlichkeit untereinander. „Durch das professionelle Arbeiten und unsere Freundschaft sind wir zu einer Einheit geworden. Wir regen einander an, teilen Ideen. Kurzum: Zwei Köpfe sind besser als einer“.
Das gilt auch für Krisenzeiten. „So schlimm Corona ist, wir nutzen das Virus als Chance“, erklären die Künstler. Während des Lockdowns sind sie über Livestream aufgetreten und versuchen so digitale Alternativen für den Gang ins Konzert zu schaffen. Den analogen Raum könne das Internet trotzdem nicht ersetzen. „Zu unseren Auftritten gehört auch mit dem Publikum zu interagieren, es beim Singen intensiv anzuschauen zum Beispiel. Wir freuen uns darauf und wir sind davon überzeugt, dass die Kunst den analogen Raum braucht, um performt zu werden.“