Innehalten im Sommerloch
Liederabend „ERWACHEN“ Kulturwochen im Atelier Michael Franke
Mit den Netzwerk-Mitgliedern Nico Heinrich, Tenor und Peter Bortfeldt, Klavier
Im Vorfeld der bevorstehenden tropischen Woche gab es im Atelier Franke in Wachtberg-Gimmersdorf Gelegenheit zum Innehalten und Sinnieren.
Bei strahlendem Sommerwetter lauschte das Publikum interessiert, tauschte sich bei einem Wein in der Pause durch die Werke von Dvořák, Brahms und Schubert inspiriert aus.
Geschickt gewählt boten die beiden ersten Lieder-Blöcke verschiedene Möglichkeiten des „Erwachens“. Zunächst bei Dvořák „das alte Lied“, die ewige Suche des starren Herzens, das vom Glück und noch sehnsüchtiger vom Paradies träumt. Die vielen zart nuancierten Facetten, die Nico Heinrich interpretatorisch herausforderten meisterte er mit berührender Innigkeit in Stimme und Gestik – beispielsweise im dritten Lied „Ich weiß das meiner Lieb zu dir“ mit der Hoffnung auf die treue Liebe.
Auch der Kontakt zum Publikum brachte den „Tränen der Seligkeit“ ebenso intensiv eine Note, durch die sich der Lauschende persönlich angesprochen fühlte.
Spätestens im fünften Dvořák-Lied „Du einzig Teure, nur für dich“ wurde deutlich wie bedeutend ein Gestalter wie Peter Bortfeldt als Liedpianist sein kann: Wie verzaubert perlten im Klavier die Girlanden für „die einzig Teure für die das Herz brennt“.
Durchweg kam dem Liederabend zugute, dass Nico Heinrich so deutlich zu sprechen vermag, dass es auch ohne Gedichte fast durchweg möglich war, dem Text zu folgen.
Nach diesen interpretatorisch eher leicht zugänglichen Werken war somit ein guter Einstieg in die weiteren „Erwachen“-Facetten vorbereitet: Voluminöser vom Klavierpart her konzipiert kamen die drei Lieder von Brahms schon einmal als akustische Steigerung an. Dies kam den vielen Natursymbole zugute: Im ersten Lied „Meine Liebe ist grün“ kommt der blühende Flieder stehend für die überschwängliche Liebe mit dem fulminanteren Klavierpart intensiv herüber. Als Vorgeschmack für die weitaus komplizierteren Gedichte im zweiten Teil gab es in „Unbewegte laue Luft“ ein sommerliches Intermezzo, und auch das letzte Brahms-Lied vom innigen Veilchen verlangt danach, das Gedicht noch einmal zur Hand zu nehmen.
Geschickt vor der Pause platziert: Die gruselige Geschichte „Der Zwerg“ von Schubert – präsentiert einem gebannt lauschenden Publikum, das durch den dramatischen Abschluß des ersten Konzertteils sehr angeregt, diskutierend und auch aufgewühlt in die Pause schritt.
Mit Schubert ging es nach der Pause zunächst weiter – zwei Lieder „Am See“ und „Halt!“ Zunächst die Verbindung mit glitzernder Sonne und funkelnden Sternen, die zu andächtiger Ruhe gemahnen wobei sich die Seele in den leichten Wogen über den Wellen des Wassers spiegelt. Dann in „Halt!“ der sprechende Austausch mit dem Bächlein, wobei wieder die kluge und zarte Stimmführung dafür sprach, dass Nico Heinrich auch dieses Werk sehr passend ausgesucht hatte.
Peter Bortfeldt wiederum brillierte pianistisch auch in beredten langen Nachspielen wie dem von „Schwerzen“ (aus Wesendonck-Lieder, Wagner).
Schließlich die Strauss’sche Überhöhung des Erwachens – bis hin zu des „Glückes stummen Schweigen“ mit dem „Morgen“ beschließt. Hier mündete das Lied in gemeinsame lange Stille, in der jeder seinen Gedanken nachsinnen durfte und erneut das Bedürfnis aufkam, auch diese Gedichte doch noch einmal zur Hand zu nehmen, um diesen schönen Sommer-Nachmittag atmosphärisch wiederaufleben zu lassen.
Das begeisterte Publikum – es waren etwa hundert Zuhörer gekommen – erklatschte sich zwei Zugaben: zunächst „Ständchen“ von Strauss und schließlich „Die Forelle“ von Schubert.
Text: Sabine Krasemann
Zum Konzert am 22.7.2018