
“In meiner Konzeption ist ein Liederabend immer wie ein kleiner Theaterabend.”
Mai 2018
Mit Judith Hoffmann sprach Guido Krawinkel
Frau Hoffmann, in Ihrem Lebenslauf lese ich, dass Sie vor Ihrem Gesangsstudium Gitarre studiert haben und mit Diplom abgeschlossen. Wie kam es zu dieser Hinwendung zum Gesang?
Ich bin als „Orchesterkind“ an einem großen Opernhaus aufgewachsen und habe schon früh viele Opern und Operetten gesehen und deren Probenprozesse mitbekommen – ich habe es geliebt diese Proben zu erleben. Später habe ich dann auch im Bewegungschor auf der Bühne mitgetanzt. Dabei habe ich sehr viel über das Theaterleben mitbekommen.
Dass ich selbst auch Musikerin werden wollte war mir völlig klar. Auch wenn ich schon immer wusste wie der Betrieb funktioniert. So habe ich mir keine Illusionen gemacht, wie hart dieser Beruf ist. Ich habe dennoch zuerst mit einem Instrumentalstudium (Gitarre) begonnen, habe dann aber schnell gemerkt, dass mein Herz eben doch ganz dem Gesang gehört und schließlich auch Gesang studiert. Im Gesang habe ich alle Ausdruckmöglichkeiten die mir wichtig sind gefunden.
Hatten Sie davor schon gerne gesungen?
Gesungen wurde bei uns zuhause immer. Das war meiner Mutter sehr wichtig. Sie hat mir auch die Möglichkeit gegeben, dass ich früh schon Gesangsunterricht bekam.
Ist es für eine*n Sänger*in heutzutage nicht ungeheuer schwer, sich angesichts der großen Anzahl an Sänger*innen auf dem Markt durchzusetzen?
Na, ich sehe das ganz pragmatisch, das Problem sich durchsetzen zu müssen haben sie in anderen Berufen auch. Ich glaube jeder findet seinen Weg, wenn er diesen Beruf wirklich mit tiefer Leidenschaft und gutem handwerklichen Können begeht und seine Stimme immer weiterentwickelt. Es gibt immer einen Weg, seinen persönlichen zu finden ist die Aufgabe. Ich glaube das Wichtigste für mich ist, weiterzumachen, auch wenn es gerade einmal anstrengend ist. Wichtig ist es, immer sein Ziel im Auge zu behalten.
Was machen Sie am liebsten: Oper, Lied oder Oratorium?
Das kann ich gar nicht sagen. Ich liebe alle drei Sparten. Jede hat Ihren besonderen Reiz. Und überall werden Geschichten in musikalischer Form erzählt. Die Oper ist mir tatsächlich am vertrautesten durch meine Kindheit. Oratorien und Lieder kamen erst mit dem Gesangsunterricht als Jugendliche dazu. Schon im Studium waren mir die Liederabende zunehmend sehr wichtig. Die Kombination von Lyrik und Musik im Lied hat mich immer sehr interessiert. Ich hatte das Glück dabei tolle Menschen an meiner Seite zu haben die mir bei der Konzeption von Liederabenden geholfen haben. Auch viele Oratorien mag ich sehr.
Welche Lieblingswerke und -komponisten haben Sie?
Diese Frage konnte ich früher schon nicht beantworten, wenn es hieß: was ist Deine Lieblingsband. Ich mag so viel und bin ziemlich schnell begeisterungsfähig. Meine Lieblingsmusik ist die, die mit Hingabe, Ehrlichkeit, Spielfreude, Können, und Emotion musiziert wird. Natürlich gibt es immer mal einen Komponisten oder eine Komponistin die mich besonders beschäftigen. So bin ich im Moment ein Gustav Mahler-Fan, liebe Tschaikowsky und Rachmaninov, könnte Korngold jeden Tag hören und finde Händel zum niederknien schön. Das hängt sicher auch mit meinen aktuellen Projekten zusammen. Es gibt ein Werk das ich seit meiner Kindheit liebe, das ist das Klavierkonzert von Clara Schumann.
Einerseits sind Liederabende beliebt, andererseits ziehen sie ein zumeist schon bereits initiiertes, mit dem Repertoire und den Konzertritualen vertrautes Publikum an. Wie kann man vermitteln wie interessant das Kunstlied auch für eine breitere Öffentlichkeit ist?
Das ist ein spannendes Thema, worüber ja im Moment zum Glück auch viel von Kolleginnen und Kollegen kreativ nachgedacht wird. Ich bin mir sicher, dass es da nicht nur einen Weg gibt, sondern viele spannende Wege. In meiner Konzeption ist ein Liederabend immer wie ein kleiner Theaterabend. Ob ganz mit Liedern oder auch im Zusammenhang mit Texten oder Lyrik.
So bin ich für mich nach Programmen die ganz aus Liedern einen roten Faden spinnen, auf den Weg mit der Verbindung von Lied und gesprochenen Wort gekommen. In den letzten vier Jahren sind dadurch mit dem Sprecher und Dramaturgen Kolja Buhlmann fünf abendfüllende Programme mit Lied und Lyrik entstanden, von denen einige bereits szenisch aufgeführt wurden. Mein aktuelles Programm „Alma Mahler und Ihre Strahlenden Satelliten“ ist das erste Stück in dem ich nicht nur singe, sondern auch den Text von Kolja Buhlmann spreche.
Gesetzt Sie hätten eine Carte Blanche und könnten tun und lassen was Sie wollen, was würden Sie realisieren wollen?
Im Grunde habe ich das Glück, genau das in meinen Lied-Programmen machen zu können was mich interessiert. Das ist mir ganz bewusst, dass dies ein Privileg ist, sozusagen der Lohn für die Arbeit, als Künstler seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das möchte ich gerne weiterentwickeln und aus dieser Konzeption heraus den Liederabend immer mehr zu einem Theaterabend formen!
Gibt es irgendwelche lustigen, kuriosen oder albtraumartigen Anekdoten, die Sie bei Ihren Konzerten erlebt haben?
Zum Glück bin ich bei Konzerten noch nicht von alptraumartigen Anekdoten geplagt worden.
Meine Lieblingsgeschichte mit Kindern: ich habe die Kinderoper „Petterson und Findus“ gespielt und war der Findus. Der war in dem Stück zwischendurch recht grantig und ich saß vorne an der Bühne. Ein Mädchen in der ersten Reihe kam zu mir und meinte ich, also Findus, dürfe nicht so gemein zu dem Hahn sein – und ich dusseliger Kater war in dem Moment so in der Rolle, dass ich ihr trotzig gesagt habe, dass das doch geht und so sein muss….. Zum Glück hatte das Mädchen eine Mutter dabei, die sie davon abgehalten hat zu mir auf die Bühne zu kommen und die Angelegenheit für meinen Widersacher, den Hahn, zu klären. Seitdem habe ich nie wieder mit Kindern von der Bühne aus diskutiert. Es hat mir gezeigt wie sehr Kinder sich mit solchen Stücken identifizieren – so wundervoll!
Was beschäftigt Sie aktuell?
Zurzeit habe ich verschiedene Projekte. Da ist mein Alma Mahler-Projekt, das am 27. Mai 2018 in Königswinter Premiere haben wird. Das Programm beinhaltet Lieder von Zemlinsky, Mahler, Berg, Schönberg, Korngold, Britten, und Alma Mahler. Ich finde es eine sehr spannende Zusammenstellung und bin immer wieder erstaunt wie verknüpft damals die ganze Künstlerszene war. Zudem habe ich gerade ein Ensemble mit Trompete und Orgel gegründet. Unser aktuelles Programm ist ein Barockprogramm mit vielen Barock-Klassikern für Sopran und Trompete.
Eine weitere Formation, mit der ich konzertiere, besteht aus Sopran, Kontrabass und Klavier. Damit waren wir vor kurzem im Konzerthaus Dortmund zu Gast. Abgesehen von meinen eigenen Projekten und Formationen habe ich in der nächsten Zeit Konzertverpflichtungen für das Verdi Requiem und viele weitere Oratorien. Im Opernfach habe ich jetzt gerade einen Fachwechsel abgeschlossen und bin gespannt, was dort als nächstes auf mich zukommt.
Was steht denn auf Ihrer Wunschliste ganz oben für die nähere Zukunft?
An Liedern: Vier letzte Lieder von Strauss. Dafür bekam ich gerade eine Einladung im Winter 2019, für eine bearbeitete Fassung für Sopran und Orgel. In der Oper: Tatjana (Onegin/Tschaikowsky), Fiordiligi (Cosi fan tutte/Mozart).
Wieviel Prozent Ihrer Arbeitszeit geht für Üben und Konzertieren drauf, wieviel für Organisatorisches?
Momentan würde ich sagen 70/30. 70 Prozent für das Üben, Auswendiglernen, Proben und Konzertieren, und 30 Prozent Organisation.
Wie gehen Sie mit Lampenfieber um? Haben Sie da Rituale vor Auftritten?
Ja ich habe feste Rituale vor Konzerten mit denen ich auch meine Aufregung kontrolliere. Schon morgens konzentriere ich mich ganz auf den Ablauf am Abend. Ich meditiere und versuche auch schon morgens aufgeregt zu sein, damit das Adrenalin schon etwas abgebaut werden kann bis ich auf die Bühne gehe. Denn wie wir alle wissen, sagt uns Adrenalin entweder wir müssen gleich kämpfen oder wir sollten gleich sehr schnell wegrennen. Beides ist auf der Bühne nicht wirklich eine gute Idee. Da ist es schon von Vorteil, wenn ich das Adrenalin über den Tag hinweg abgebaut habe.
Was machen Sie, wenn Sie krank sind, oder anders gefragt: Was tun Sie im Vorfeld, um zu verhindern, dass es so weit kommt?
Ich mache nichts Besonderes. Ich passe gut auf mich auf und werde einfach selten krank. Als Sänger*in muss man eine starke Gesundheit haben, sonst ist der Beruf nichts.
Ist es nicht eine ungeheure Belastung, sich immer so um sein Instrument sorgen und unter Umständen auf viele Dinge verzichten zu müssen?
Für mich nicht. Ich sehe mich als Sänger wie ein Leistungssportler. Wir arbeiten mit unserem Körper und einem sehr feinen und sensiblen Instrument, der Stimme. Das Glücksgefühl beim Singen ist so groß, dass es mich für alles, was ich vielleicht nicht machen kann, entschädigt. Wobei mir gar nicht so viele Dinge einfallen die ich gar nicht machen kann. In den Kneipen darf ja sowieso nicht mehr geraucht werden. (lacht) Das ist für mich eine große Freiheit, denn früher konnte ich durch den Rauch nicht mit in die Kneipen gehen.