
Sprechen, Schreien und vokales Fließen
Die Veranstaltung des Vereins Klang Köln e.V. im Domforum bot eindreiviertel Stunden lang eher ungewöhnliche Töne. Der in Kooperation mit „Liedwelt Rheinland“ stattfindende Liederabend war sogar mehr als nur „etwas anders“ (drei Uraufführungen innerhalb von vier Zyklen). Alle Komponisten (gleichzeitig Klavierbegleiter) – Rolf Soiron, Christoph Maria Wagner, Stefan Thomas – sind um die Fünfzig und haben viel mit Köln zu tun. Die Sopranistin Anna Herbst wurde ganz in der Nähe geboren.
Sie eröffnete den Abend mit Soirons „Lieder des Bewusstseins“ (Texte 20. Jahrhundert). Erstaunlich, wie sehr der Komponist der Sängerin vokales Fließen gestattet; schönes Timbre und Legatokunst kamen so überzeugend zur Geltung. Ein Gegensatz dazu war der dissonante, nervöse, selten beruhigt wirkende Klavierpart, ein primärer Eindruck auch sonst.
Bei Wagners Bukowski-Songs wurde dem Sänger (der ausgezeichnete Peter Paul) neben kantabler Souveränität auch expressives Sprechen, sogar Schreien abverlangt. Ähnliches bei Soirons Liedern nach Hermann Broch, dessen emotional starke Texte den Komponisten merklich inspiriert haben. Ob indes ein heiterer Dichter wie Robert Gernhardt unbedingt vertont werden muss, sei zurückhaltend angezweifelt. Die ständige Wiederholung einzelner Textzeilen ließ die Skurrilität der Gedichte zudem verloren gehen, und eine Männerstimme wäre wohl auch geeigneter.
Text: Christoph Zimmermann