Das Ende vom Lied | Georg Beck über das…
Zu Liedsommer, 12.09.21, VHS-Forum Köln
Christiane Oelze mit neuen Liedern von Christoph Maria Wagner
Über die Unmöglichkeit der Aufgabe war sich Christoph Maria Wagner nur allzu bewusst. Im Werkstattgespräch vor dem Konzert bekannte er freimütig, dass wir, wenn wir auf das Kunstlied schauen, eigentlich auf etwas Abgeschlossenes schauen. Ein Gedanke, dem man sich in seiner frappierenden Wahrheit, kaum zu entziehen vermochte. Spätestens als der Song aufkam, nicht von ungefähr in jenem historischen Augenblick als die Tonaufzeichnung aufkam und Radio hieß und Schallplatte hieß, war es vorbei mit dem Lied. Seitdem gab es und gibt es, ja eben, den Liederabend.
Warum er dann selbst doch noch welche geschrieben habe? Die Frage lag natürlich nah. Und wer Christoph Maria Wagner kennt, ahnte die Fortsetzung. Bekannt ist die Vorliebe des Komponisten für die (hätte man früher gesagt) abseitigen, für die (sagt man heute eher) abgelegenen oder abgesunkenen Literaturen und Genres, sei es, dass sie aus dem Horrorfilm kommen, sei es, dass sie aus dem Deutschen Volkslied kommen, sie alle hat Christoph Maria Wagner schon eingebaut, remixed wie sein eigener Ausdruck dafür ist. Und auch Bukowski, Charles Bukowski, dem sein früherer Schrecken ja längst abhanden gekommen ist – (jede zweite bis dritte öffentlich-rechtliche Kriminalunterhaltung bietet Grenzwertigeres) – auch Bukowski hat sich Christoph Maria Wagner längst zu eigen gemacht. Und jetzt hat er ihn sich noch einmal hervorgeholt und ein paar seiner schrägsten Gedichte – über Mama, über die zu hohe Miete, über Ghosts, über die Liebe – mit ein paar nicht weniger provokanten Poems der 1974 freiwillig aus dem Leben geschiedenen amerikanischen Dichterin Anne Sexton kombiniert. Das Ganze hieß dann so: „man/woman – liebe/tod“. Das Problem dabei war der Schrägstrich. Was zwischen „man“ und „woman“ so passiert, passieren kann, davon war in den stets amüsant, naheliegend auskomponierten Texten durchaus die Rede. Nur von der „liebe“, diesem, wie soll man sagen, anderen Wort für Geheimnis, war keine Rede. Konnte wohl auch nicht.
Was wir also erlebten, war ein kurzweiliger Liedernachmittag – zustandegekommen dank der souveränen Gestaltung von Christiane Oelze, die (in diesem Fall ganz ohne Schrägstrich) die allerbeste Verbindung einging mit ihrem Partner Jonathan Ware und dessen silbriger Pianistik. Im Beiprogramm präsentierte das Duo noch eine kleine Auswahl aus Francis Poulencs „Fiancialles pour rire“ und, damit fühlten wir uns dann wieder an die wahren Erben des Kunstlieds erinnert, Song-Klassiker vom Herrn Kurt Weill. – Ansonsten wären wir gespannt auf die Fortsetzung.
Georg Beck
LiedWeltLinks
- Christiane Oelze | Sopran und Gesangscoach
- Christoph Maria Wagner | Komponist
- 2021 | „liebe/tod – man/woman“
- 12.9.2021 | 16 Uhr | VHS-Forum, Köln