Tomas Kildišius über Pilze, alte Kirchenbücher und Bücher-Tipps über Linguistik
Das Interview vorlesen lassen:
Was machen Sie tagsüber?
Ich suche und analysiere. Musik, mich selbst, die anderen. Und zum Entspannen spiele ich Computerspiele.
Ihr heißer Literaturtipp?
Ich lese sehr gerne Sachbücher, besonders in Richtung Linguistik. Das Thema ist so spannend, ich muss beim Lesen immer denken, wie viel man über die Sprachen erzählen kann und wie unterschiedlich wir die Dinge wahrnehmen. Mein Tipp wäre G. Dorrens „Babel“ und „Lingo“. Das andere Thema, was mich interessiert, ist Psychologie und Behaviorismus. Hier kann ich wärmstens D. Kahnemans „Schnelles Denken, langsames Denken“ („Thinking, Fast and Slow“) empfehlen.
Ihr liebstes Kinderlied?
Als ich noch Kind war, habe ich immer ein Lied aus einer Fernsehsendung gesungen. Es ging so: „Der Steinpilz ist der König der Pilze, er steht so mutig und so stolz“. Steinpilze sind in Litauen sehr beliebt…
Was ich der Welt mit dem Lied sagen möchte…
Lied ist nicht langweilig. Es kann polarisieren und vereinen, einen unterhalten und nachdenklich machen.
Ihre größte Freude beim Lied-Musizieren?
Das Kontakt mit dem Publikum. Ich mag ihre Gesichter sehen, ihren Atem hören, wenn wir alle gemeinsam nach einem spannenden Stück zusammen ausatmen. Zu hören, dass die Musik, die ich singe, gestalte, zum Publikum ankommt, und eine Reaktion zu bekommen, ist mir die größte Freude.
Graben Sie gerne in Archiven?
O ja! Jetzt bin ich leider weit von den Archiven entfernt, aber ich habe früher viel mit meinem Stammbaum beschäftigt. Mein Urgroßvater hat die Skizze davon gemacht, als er noch lebte, und ich habe dann die genommen und mit Lebens und Todes Daten erweitert und noch frühere Personen gesucht. Es war sehr interessant, alte Kirchenbücher zu blättern und alles zu lesen. So viele Menschen, so viele Lebens-, Liebes- und Todesgeschichten…
Ein Bild oder eine Skulptur, das ein Lied verdient?
Mikalojus Konstantinas Čiurlionis war der litauische Michelangelo: er war Maler, Grafiker, Komponist, Fotograf und Schriftesteller. Eine der größten Figuren der litauischen Kulturgeschichte. Sein Bild „Das Märchen der Könige“ („Karalių pasaka“) bewundere ich immer – es hat etwas mystisches, etwas geheimnisvolles. Es verdient tausend Lieder.
Ihr Ritual vor jedem Auftritt?
Gut ausschlafen. Und an dem Abend, habe ich eine Mantra, die ich kurz vor dem Auftritt mir einmal wiederhole: „Ein Koffer schwebt im Meer, da drinnen ist ein Elefant. Glaubst du nicht? Geh weg!“
Ein unvergessliches Konzerterlebnis?
Das litauische Liederfest. Jedes vierte Jahr wird es diese gigantische Veranstaltung organisiert. Die litauische Chöre aus Litauen und ganzer Welt kommen zusammen und machen ein Konzert. Als ich noch in der Schulchor war, habe ich dreimal teilgenommen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn 20.000 Leute zusammen in einem großen Chor stehen und singen…
Was wollten Sie als Kind später einmal werden?
Erstmal wollte ich Präsident werden, jedoch später habe ich mich umentschieden und wollte irgendwo zwischen Musiker und Mathematiker landen.
Wie stellen sie sich das perfekte Liederabend-Publikum vor?
Ich brauche nicht viel – nur dass sie hören und verstehen wollen. Die Betonung auf „wollen“.